Ilse Rewald: „Ich werde in einer Rüstungsfabrik der Luftwaffe zwangsverpflichtet. Wir arbeiten 10 Stunden täglich, dürfen keine Kantine besuchen und haben eine Toilette nur für Juden. Wir kontrollieren schwere Eisenteile, prüfen die Gewinde und müssen unseren Kontrollstempel zum Schluß darauf drücken. Wer etwa fehlerhafte Teile stempelt, wird wegen Sabotage angezeigt. Paradoxerweise arbeiten wir für Deutschlands Rüstung und sind noch froh, daß wir gebraucht werden. Manche der arischen Mitarbeiterinnen kennen unsere Lebensmittelbeschränkungen und stecken uns heimlich etwas Obst, eine Flasche Milch, eine Zigarette zu. Die jüdischen Kolleginnen kommen aus allen Teilen Berlins, sie haben lange Anfahrtswege und sind zwischen 14 und 65 Jahre alt. [...] Ich habe immer einen Zettel neben mir, um mir Stichworte meiner Gedanken zu machen, denn das Sprechen ist uns verboten. So denke ich mir kleine Geschichten aus, manche Gedichte und versuche, mich an glücklichere Zeiten zu erinnern. [...] Aber ich halte die Eintönigkeit der Arbeit, den Lärm der Maschinen und die lange Dauer des Tages auf diese Weise besser aus. Wir alle haben Thermosflaschen mit Ersatzkaffee mit, auf unseren Broten ins künstliches Schmalz aus Gries. Der Hocker, ohne Lehne, ist mir eine Qual, und in den letzten Stunden des Tages schmerzt mein Rücken so, daß ich denke, er bricht entzwei. Seit dem 19. September 1941 muß jeder Jude an der linken Brustseite sichtbar den gelben Judenstern tragen. Er muß festgenäht sein und darf nicht durch Aktentaschen oder Pakete verdeckt werden. Jeder Arbeitsanzug, jeder Arbeitskittel muß einen Judenstern haben! Wir bekommen eine Fahrgenehmigung mit der genauer Angabe unserer Wohnung und des Arbeitsplatzes, denn private Fahrten sind für Juden verboten, ein Besuch bei Verwandten oder Freunden kann nur zu Fuß gemacht werden, bei den Entfernungen in Berlin fast unmöglich.“