Anmerkung
Das durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda verfügte „Reichskulturkammergesetz“ vom 22. September 1933 sah die Unterstellung aller öffentlichen Kulturinstitutionen (Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik, Film und bildende Künste) unter das Propagandaministerium vor. Von nun an war die öffentliche Teilhabe am kulturellen Leben Deutschlands unabänderlich an die Registrierung in der jeweils zuständigen Kammer gebunden. Für SchriftstellerInnen bedeutete dies, dass sie in der für sie zuständigen Reichsschrifttumskammer (RSK) registriert sein mussten, wenn sie ihre Werke publizieren wollten. Ein RSK-Ausschluss bedeutete ebenso wie eine Antragsablehnung, dass alle Verlagsverträge mit ‚deutschen‘ Verlagshäusern zugleich für nichtig erklärt wurden und verwies Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft auf den Judaica-Buchhandel, also auf Verlage, deren EigentümerInnen ebenfalls jüdischer Herkunft waren.
Da es eine unübersichtliche Vielzahl an Schriftsterllerverbänden gab, wurde der RSK-Präsident mit der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes“ (§16) ermächtigt, ganze Verbände in die RSK zu überführen.
So wurden beispielsweise die Mitglieder des Reichsverbands Deutscher Schriftsteller (RDS) ab dem 30.09.1935 („Gruppe Schriftsteller“) in die RSK überführt. Bereits zuvor wurde der „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ (SDS) in den RDS inkorporiert, ebenso wie der „Verband Deutscher Erzähler“ (VDE), der „Nationalverband deutscher Schriftsteller“, der „Verband deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten“, der „Bund deutscher Schriftstellerinnen und Journalistinnen“, „die Vereinigung sächsischer Schriftsteller“ sowie der „Verband der Tanzkritiker“.
Die Mitglieder der eingegliederten Verbände mußten dennoch RSK-Aufnahmeanträge samt Personalfragebögen
einreichen.
In der Entstehungszeit der Reichskulturkammer sah Goebbels noch davon ab, Kulturschaffenden jüdischer Herkunft die Aufnahme in die Kammer zu verweigern. Dies geschah vor allem aus volkswirtschaftlichen Überlegungen. Die Zielsetzung der ‚Arisierung‘ aller Kulturbereiche in Nazi-Deutschland kreuzte sich in der Anfangszeit mit der Zielvorgabe möglichst keine Betriebe zu schließen und Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Darüber hinaus war die Entscheidung gegen einen Arierparagraphen image-politisch geschickt, da sich so renommierte Persönlichkeiten für die Leitung der einzelnen Unterkammern rekrutieren ließen. Außerdem erleichterte die Integration von Kulturschaffenden jüdischer Herkunft in die RKK deren systematische Erfassung. Erst als die Aufbauphase abgeschlossen war, insistierte Goebbels auf den Ausschluss von RSK-Mitgliedern jüdischer Herkunft auf Grundlage des §10 der „1. Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz“ vom 1. November 1933. Dieser besagte, dass die Mitgliedschaft verweigert oder entzogen werden könne, sobald sich bei einem Mitglied die „erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung“ zur Ausübung ihrer Tätigkeiten nicht feststellen ließe. Mit einem offiziellen Erlass verkündete Goebbels am 24. März 1934, dass Menschen jüdischer Herkunft nicht länger ‚geeignet‘ seien, das ‚deutsche‘ Kulturgut zu verwalten oder darin in irgendeiner Form zu partizipieren. Somit wurde der Prozess der folgenden massenhaften Ausschlüsse, der 1935 seinen Höhepunkt erreichte, eingeleitet.